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Pressemitteilung

Politik bremst den Naturschutz aus

„Rettet die Bienen!“ – sechs Jahre nach dem Volksbegehren: Vortragsveranstaltung in der Starnberger Schlossberghalle und Exkursion in Krailling

von links nach rechts: Stefan Schilling (LBV), Jörg Umbreit, Harald Kirsten, Agnes Becker, Norbert Schäffer (LBV), Martin Ballmann, Horst Guckelsberger (LBV)

Eine umfassende Bilanz zum Umsetzungsstand des Volksbegehrens „Rettet die Bienen!“ zogen die ÖDP-Landesvorsitzende Agnes Becker und der Vorsitzende des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz (LBV), Dr. Norbert Schäffer in der Starnberger Schlossberghalle. Auf Einladung des ÖDP-Kreisverbands Starnberg waren die beiden am 26. September in die Kreisstadt gekommen und wurden von den beiden Vorsitzenden Jörg Umbreit und Stefan Schilling begrüßt.

Bereits am Nachmittag fand eine Exkursion ins ehemalige Pionierübungsgelände Krailling statt, bei dem der LBV-Geschäftsstellenleiter Claudius Birke und der LBV-Vorsitzende Stefan Schilling die Besonderheiten dieses des Gebietes als Biotopverbund, einem wesentlichen Ziel des Volksbegehrens, erläuterten.

Viele Interessierte wollten wissen, was aus dem erfolgreichsten Volksbegehren der bayerischen Geschichte geworden ist, das die ÖDP 2018 initiiert hatte und bei dem sich Anfang 2019 in nur vierzehn Tagen über 1,7 Millionen Menschen für mehr und besseren Artenschutz in Bayerns Rathäusern eingetragen hatten. Das Überlebensthema Artensterben wurde so auf die politische Agenda gezwungen und das bayerische Naturschutzgesetz in vielen Punkten entscheidend verbessert. Der Trägerkreis des Volksbegehrens, bestehend aus ÖDP, LBV, Grünen und Louisoder Umweltstiftung, betraut seit 2020 jährlich Prof. Roman Lenz von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen mit einem wissenschaftlichen Monitoring, inwieweit die Ziele des Volksbegehrens tatsächlich umgesetzt werden. Darüber und wie es überhaupt zum Volksbegehren kam, berichteten Becker und Schäffer.

Erfolge: 10 Prozent Naturwald, Streuobstpakt und Gewässerrandstreifen

Keine Scheu die Staatsregierung zu loben, hatte Dr. Schäffer beim Thema Naturwald. Das durch das Volksbegehren festgeschriebene Ziel von mindestens zehn Prozent Naturwald im Staatswald ist erreicht. Dort darf die Natur Natur sein und die Säge muss schweigen. Wehrmutstropfen: Bei den über 80.000 Hektar Naturwald hat die Staatsregierung großzügig auch 15.000 Hektar Latschenkiefer-Bestände mitgerechnet, die ohnehin ungenutzt sind. Was aber nach wie vor fehle, sei ein Laubwald-Nationalpark im Steigerwald.

Vor allem dank der Unterstützung durch Alois Glück sei der „Bayerische Streuobstpakt“ zustande gekommen, der für zusätzlich eine Million Streuobstbäume in Bayern bis 2035 sorgen wird. Die dafür benötigten Geldmittel in Höhe von 670 Millionen Euro, für Pflanz- und Pflegemaßnahmen seien Summen, die man im Naturschutz noch nie gesehen hatte. Solche gewaltigen Geldmengen waren bis dahin nur im Straßenbau bekannt“, so Dr. Schäffer.

Zu den Erfolgen zählte Becker auch den gesetzlichen Schutz der Gewässerrandstreifen bei Gewässern 3. Ordnung. „Der Rückgang der Artenvielfalt ist in unseren kleinen Gewässern sogar noch dramatischer als in der Agrarlandschaft. Das Volksbegehren hat hier endlich für einen gesetzlichen Schutz gesorgt, den es in allen anderen Bundesländern längst gab. Auf einem fünf Meter breiten Streifen rechts und links darf keine acker- und gartenbauliche Nutzung mehr betrieben werden. Diese „Pufferzone“ schützt das Gewässer vor Eintrag von Sediment, Dünger und Pestiziden. Hier klappt die Umsetzung nach einer größeren Zeitverzögerung ganz gut. Um die Größenordnung zu verdeutlichen, nannte Becker beeindruckende Zahlen: 90.000 km Gewässer 3. Ordnung gibt es in Bayern! „Was bei den Gewässerrandstreifen aber fehlt, ist die Weiterentwicklung zu funktionierenden Vernetzungsstrukturen im Rahmen der Schaffung eines funktionierenden Biotopverbunds. Außerdem brauchen wir auch wegen des fortschreitenden Klimawandels viel mehr Gehölze zur Beschattung der Gewässer“, so Becker.

30 Prozent Ökolandanbau in weiter Ferne – es fehlt eine verbindliche Bioquote

Beim Ökolandbau hinkt die Umsetzung weit hinterher und hier übte vor allem ÖDP-Chefin Becker deutliche Kritik. Durch das Volksbegehren seien klare Zielvorgaben für die Staatsregierung ins Naturschutzgesetz geschrieben worden: 20 Prozent müssen es bis Ende 2025 sein, 30 Prozent bis 2030. 2024 lag der Anteil der Biolandwirtschaft in Bayern bei rund 14 Prozent. „Insbesondere die Landwirtschaftsministerin wird hier nicht müde, immer mit dem Finger auf die Verbraucher zu zeigen, dabei kommt der Staat selbst seiner Einkaufsverantwortung bei Lebensmitteln für die öffentliche Außer-Haus-Verpflegung (AHV) in keiner Weise nach. Der Anteil von Bio bei täglich einer Million Essen in der AHV liegt bei rund einem Prozent“, rügt Becker. Hier fehle eine verbindliche Bioquote für den Einkauf biologisch erzeugter Lebensmittel. Das wäre spielentscheidend bei der Planungssicherheit für die heimische Biolandwirtschaft.

Nachholbedarf beim Biotopverbund und bei der Pestizideinsatz-Reduzierung

„Das wichtigste Ziel, aus meiner Sicht wichtiger als alle anderen Teilziele zusammen, ist der Biotopverbund: Er soll 15 Prozent des Offenlands bis 2030 umfassen, so hat es Ministerpräsident Söder versprochen“, resümiert Dr. Schäffer. „Gut 10 Prozent sind erreicht. Es geht in die richtige Richtung. Es fehlen die nächsten 5 Prozent und die lassen sich nicht zusammenrechnen, sie sind neu zu schaffen.“ Es bedeute einen großen Aufwand, 5 Prozent aus der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung zu nehmen und in Vernetzungswege für bedrohte Pflanzen und Tiere umzubauen.

Problematisch sei zudem die vereinbarte Halbierung des Pestizideinsatzes bis 2028. Keine Behörde in Bayern habe sagen können, welche Pestizidmengen überhaupt eingesetzt würden. Erst ein vom LBV in Auftrag gegebenes Gutachten hätte hier für belastbare Zahlen gesorgt und eine Grundlage gesorgt. Gute Ansätze zur Halbierung gäbe es, aber entscheidend sei hier vor allem auch die Giftigkeit der Stoffe.

Falsche Weichenstellungen der letzten Zeit – Roll-back befürchtet

Anschließend nahm Becker Stellung zu den aktuellen Entwicklungen: Durch Ukrainekrieg, Bauernproteste und Inflationsangst hätte sich in der Politik „das Koordinatensystem vollkommen verschoben“. Letztere hätten „viel Grund sich zu beschweren“, wenige der wirklichen Beschwerdegründe seien aber auf den Plakaten zu lesen gewesen. Die Politik reagierte auf die Trecker-Blockaden kopflos: Forderungen nach Demontage erreichter Umweltstandards wurden laut oder markige Sprüche vom Ministerpräsidenten, dass für die Ernährungssicherheit jetzt „alles unter den Pflug muss“. Um krisensicher Ernährungssicherheit zu gewährleisten müssen an ganz anderen, wichtigeren Stellschrauben gedreht werden als beim Naturschutz. Becker: „Die erste Schraube: Den Fleischverbrauch halbieren! Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt sogar: zwei Drittel runter. Über 50 Prozent des bei uns erzeugten Getreides landet im Futtertrog. Zweite Schraube: Anbau von Energiepflanzen zur Biogasgewinnung. Braucht viel Fläche, bringt vergleichsweise wenig Energie. Um die gleiche Menge Energie zu gewinnen wie auf einem Hektar Photovoltaik brauche ich 40 Hektar Mais.“ Die dritte Stellschraube sei das Wegwerfen von Lebensmitteln. Aktuell werde in Deutschland ein Drittel nach dem Kauf weggeworfen – laut Dr. Schäffer „völlig respektlos“ auch gegenüber den Erzeugern: „Wir müssen wissen, wie wir mit Lebensmitteln umgehen: Sie werden nicht sofort toxisch bei der Überschreitung des Verfallsdatums.“ Warnend äußerten sich Becker und Dr. Schäffer abschließend zu Kürzungen der Finanzmittel im Naturschutzetat angesichts knapper Kassen. Der in Bayern beschrittene Weg der Freiwilligkeit bei den allermeisten Naturschutzmaßnahmen funktioniere nur, wenn genug Geld zur Verfügung stünde, um freiwillige Leistungen auch zu honorieren.

Neue Gentechniken bedrohen Artenvielfalt und Verbraucherschutz

Johannes Schreiber, der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Bayern, wies auf die Gefahren der Neuen Gentechniken hin. Er erinnerte daran, dass der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nach dem bayerischen Naturschutzgesetz verboten ist. Dennoch plane die EU-Kommission, gentechnisch veränderte Lebensmittel ohne Risikoprüfung und Kennzeichnung in die Supermarktregale zu bringen. Dies stelle nicht nur ein Risiko für Umwelt und Artenvielfalt dar, sondern untergrabe auch das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher.

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